Einfach mal zuhören

Über die Aktion #aufschrei bei Twitter kann und möchte ich nur eines sagen: Diese Aktion war eine Chance für mich, mal zuzuhören und die vielen Nuancen von Alltagssexismus, sexuellen Belästigungen und Übergriffen aus erster Hand zu erfahren. Einfach mal zuhören, ohne zu werten, zu gewichten oder gar zu relativieren. Damit diese Aktion kein Strohfeuer bleibt (auf Twitter sind alte Nachrichten schnell verschwunden), hat die Initiatorin der Aktion, Nicole von Horst, die Seite Alltagssexismus.de – Aufschreien gegen Sexismus ins Leben gerufen.

Was mich hier interessiert ist, wie die Aktion in die Öffentlichkeit transportiert wird. Genauer, in zwei Talkshows. Die erste, Günther Jauch im Ersten, hat Merle Stöver in ihrem Blog kommentiert: Es geht um Respekt. Die zweite, die ich gestern Nacht gesehen habe, ist ZDFlogin. In dieser Sendung versuchte Laura Dornheim mit Maximilian Pütz zu diskutieren und scheiterte daran, dass dieser nicht bereit war, zuzuhören.

Frau Dornheim und später Anne Wizorek (die auch schon bei Jauch überzeugte) machten von Anfang an klar, dass es in der Sexismusdebatte nicht allgemein gegen Männer geht, dass es vielmehr darum geht, zu überdenken, wie wir mit Menschen umgehen. Darum, Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts zu erniedrigen. Und dass es ein gesellschaftliches Machtungleichgewicht gibt.

Das wäre ein Ausgangspunkt für eine schöne Debatte gewesen, wenn… Ja, wenn die Gegenseite zugehört hätte und das Gesprächsangebot über einen gesellschaftlichen Wandel angenommen hätte.

Statt dessen versuchte die Gegenseite, die Diskussion in einen Kampf der Frauen gegen Männer umzudeuten. Männer seien Opfer weiblicher Hysterie, stellte Pütz dem Statement Dornheims entgegen, „Frauen wollen keine Opfer sein, sondern einfach wie Menschen behandelt werden.“ Es ist also eindeutig, wer polarisiert hat. Dennoch versuchte Pütz (zusammen mit Monika Ebeling) immer wieder es so hinzudrehen, als müssten sie sich gegen Anschuldigungen von Dornheim und Wizorek wehren. Als seien Männer die eigentlichen unterdrückten (wegen Girls-Day!) und die Gesellschaft auf den Weg ins Matriarchat.

Zu allem Überfluss fragte dann auch noch der Moderator gegen Ende ins Publikum, ob denn ein Matriarchat besser wäre. Als ob das irgend jemand ernsthaft gefordert hätte. Auch er hatte also offensichtlich nicht zugehört, worum es geht. Nämlich, um Stöver nochmal zu zitieren: Es geht um Respekt.

Kurz und schlecht: Schade, Thema verfehlt. Ich würde mir ja mal eine Talkshow wünschen, in der nur Feministinnen miteinander diskutieren, was wir gegen Sexismus machen können. Die betroffenen mal unter sich und wir übrigen halten die Klappe und hören zu.

12 Gedanken zu „Einfach mal zuhören“

  1. Sehr gut auf den Punkt gebracht!
    Ich bin ja bekanntermaßen sehr leidensfähig, aber ZDFlogin musste ich bei dem polemischen Matriarchatseinspieler (wo die Männer nur noch Kaffee kochen und einen drauf bekommen wenn sie nicht spuren) ausmachen. Es war einfach so dermaßen blöd.

  2. Dann müssten aber auch noch Männer mit Männern, Schwule mit Schwulen, Lesben mit Lesben, Transmenschen mit Transmenschen etc diskutieren. Denn offen sichtlich hast auch du nicht zugehört: Sexismus betrifft jeden, jedes Geschlecht und jede sexuelle Orientierung.

    Eigentlich müssten ALLE mal zuhören.

    1. Vielen Dank für den Derailing-Versuch. Darf ja nicht fehlen.
      Ja, es gibt auch andere diskriminierte Gruppen. Ja, auch darüber müssen wir reden (Was Frau Wizorek übrigens auch angesprochen hat). Und nein, Männer sind keine diskriminierte Gruppe.

      Und gerade weil Sexismus uns alle betrifft, wir aber nicht alle diskriminiert sind, sollten wir von Sexismus nicht diskriminierten hier sehr genau zuhören.

      1. Doch, auch Männer sind eine diskriminierte Gruppe. Ja, auch Männer können Opfer von Sexismus werden. Aber: darum geht es beim #aufschrei eigentlich nicht. Es hat sich etwas Bahn gebrochen, das zuallererst und in weitaus größerem Maße Frauen trifft. Und trotzdem brauchts nicht nur Feministinnen, denen man zuhören muss, sondern betroffene Frauen. Die nicht per se Feministinnen sein müssen.
        Und alle anderen brauchen auch eine Bühne. Die wird aber nur nicht so groß sein.

  3. Die beiden jungen Frauen haben rumgekeift und geschrien. Wenn Pütz geredet hat verdrehten sie die Augen und steckten sich den Finger in den Hals. Die Krönung war dann, als Frau Dornheim Probleme von geschiedenen Vätern im Sorgerecht, die real existieren, flapsig mit „Mimimi“ abtat. So wirkten die beiden höchst unsympathisch. Und obwohl Pütz mit teilweise ziemlich hanebüchenen Argumenten daherkam war er der souveränere (und hat deswegen auch wohl die Abstimmung gewonnen).

    Das Grundproblem ist aber, dass in der gesamten Debatte über verschiedene Dinge geredet wird ohne zu differenzieren. Auf der einen Seite gibt es belästigende Männer, oft in einer Machtposition (Chef, Politiker,etc) – auf der anderen Seite gibt es „Schmerzensmänner“ (nach Begriff und Artikel von Nina Pauer suchen für Erklärung), die Probleme mit der Kontaktaufnahme zum weiblichen Geschlecht haben.

    Die #Aufschrei-Debatte erreicht nun aber leider kaum die erstere Gruppe von Männern. Die kriegen das gar nicht mit. Der durchaus berechtigte Aufschrei kommt leider zumeist bei den Schmerzensmännern an, die sich eh schon kaum trauen, eine Frau anzusprechen und sich nun denken, dass sie noch vorsichtiger im Umgang mit Frauen sein müssen. Das ist nicht gut. Da wird auch von Seiten der Feministinnen nicht differenziert und mal gesagt, dass diese Männer gar nicht gemeint seien. Nein, es wird noch drauf gehauen und postuliert, dass man Frauen nicht auf der Straße ansprechen soll und nach Frau Wizorek soll wohl auch nicht in der Bar geflirtet werden. Wo sollen sich dann Männer und Frauen noch begegnen und kennen lernen? Nur noch anonym im Internet?

    1. „Und obwohl Pütz mit teilweise ziemlich hanebüchenen Argumenten daherkam war er der souveränere (und hat deswegen auch wohl die Abstimmung gewonnen).“

      Die Abstimmung ist denkbar knapp ausgefallen. 48 zu 52% oder so. Eigentlich kein schlechtes Ergebnis für die beiden Damen, dafür dass sie angeblich so unsouverän und unsympathisch waren oder? Argumentativ waren sie jedenfalls deutlich vorn. Abgesehen davon sagen Online-Umfragen rein gar nichts aus.

  4. Man kann von einer Sendung wie ZDFLogin, die vor allen Dingen auf Krawall aus ist, nicht verlangen, dass es dort irgendeine sachliche und themenorientierte Diskussion gäbe. Das gehört nicht zum redaktionellen Konzept ! Dein Artikel und Deine Enttäuschung zu der Sendung ehren Dich, aber das, was Du suchst oder Dir wünschen würdest, wirst Du bei ZDFLogin niemals finden.
    Schau Dir die Sendungen an, dann wirst Du das Konzept erkennen und – wahrscheinlich – nie wieder einschalten.

  5. Danke für die Zusammenfassung, was im Fernsehen so aus einem Internetereignis gemacht wird!

    Maren schildert ja oben den offenbar charakteristischen „polemischen Matriarchatseinspieler (wo die Männer nur noch Kaffee kochen und einen drauf bekommen wenn sie nicht spuren)“. Demnach haben sich die Macher gedacht, „Matriarchat“, das ist ja wie Patriarchat, nur sind die Männer dann eben Frauen.

    Nun aber nochwas Kritisches zu den Fragen, ob „nicht alle diskriminiert sind“ und ob die „von Sexismus nicht diskriminierten [Männer] hier sehr genau zuhören“ sollten.
    Ich bin der Ansicht, dass ein diskriminierender -ismus stets alle Seiten diskriminiert. Diskriminierung ist laut Wikipedia „gruppenspezifische Benachteiligung“. Ein -ismus ordnet Individuen einer Gruppe zu und stattet diese Gruppe mit Merkmalen aus. Es gibt dabei bevorzugte Gruppen, etwa Männer, Weiße, Inländer, Christen usw. Denen geht es mit dem -ismus deutlich besser als den anderen.
    Auf den zweiten Blick werden aber auch die Bevorzugten durch die Diskriminierung benachteiligt. Diskriminierung ist auch für die von ihr Bevorzugten schlecht. Denn den Bevorzugten wird vorgeschrieben, wie sie zu sein haben, um den Normen ihrer Gruppenzuordnung zu entsprechen.
    Ein hoffentlich deutliches Beispiel ist der Sexismus der „rosa Überraschungseier“, der voriges Jahr diskutiert wurde. Natürlich misshandeln die enthaltenen Spielzeuge Mädchen und degradieren sie zu Püppchen, indem sie ihnen magersüchtigen Elfen mit Riesenbrüsten als Identifikationsobjekte anbieten. Gleichzeitig richtet sich dieser Sexismus jedoch auch klar gegen Jungen. Ich glaube, es war Antje Schrupp, die darauf hinwies, dass Mädchen ja weiterhin auch „normale“ Überraschungseier begehren dürfen. Jungen jedoch dürfen durch die sexistische Zuordnung ausschließlich „normale“ Überraschungseier wollen.
    Jungen sind also Handlungs- und Denkweisen verboten, die nicht ihrer sexistischen Gruppenzuordnung entsprechen. Das ist ein sehr tief sitzender Sexismus, und Eltern, deren Jungen sich als Prinzessinen verkleiden dürfen, müssen Nerven wie Drahtseile haben.

    Ich würde also sagen, dass Sexismus nicht nur alle betrifft, sondern auch alle diskriminiert (wenn auch in unterschiedlicher Weise). Deshalb bin ich auch nicht der Ansicht, dass nur Männer sehr genau zuhören sollten. Sexismus ist ja nichts, was (nur) von Männern erfunden oder aufrechterhalten würde (selbst wenn sie am meisten davon profitieren). Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Deshalb dürfen nicht nur Männer sehr genau zuhören. Denn gesamtgesellschaftliche Probleme können nicht nur von Männern bekämpft oder gelöst werden. Das wäre nur im Patriarchat der Fall.

    1. Erbloggtes,
      ich habe mit keinem Wort gesagt, dass nur Männer zuhören sollen. In der Sendung gab es neben den beiden jungen Männern auch zwei Frauen, nämlich die Moderatorin und Frau Ebeling, die nicht zugehört haben. Die nicht bemerkt haben, dass es den Feministinnen eben nicht um „Jungs gegen Mädchen“, sondern um Gleichberechtigung aller Menschen geht. Das schließt Männer ein!

      Dass auch Jungs einem Normierungsdruck unterliegen, ist bekannt. Das hat nicht erst Antje Schrupp entdeckt. Dass das die Jungs unterdrückt, die der vorgesetzen Rolle nicht entsprechen wollen oder können, ist unbestritten. Das sollten wir auch nicht vergessen. Diese Männer und Jungen können an Feminismus nur gewinnen. Aber die große Masse der Männer fügt sich problemlos dem Männerbild ein und leidet nicht darunter keine Prinzessin sein zu können und keine rosa Ü-Eier kaufen zu dürfen, sondern profitiert davon.

      1. Lieber Joachim, Du hast das Wort „nur“ mit keinem Wort gesagt. Ich habe mit keinem Wort gesagt, dass Du gesagt hättest, dass nur Männer zuhören sollen. Warum finde ich nun Deine Antwort etwas giftig? Vielleicht, weil das mit dem Einfach mal zuhören gar nicht so einfach ist.

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