Ich liebe Werbung! Jedenfalls wenn sie gut gemacht ist. Freundliche Menschen, die mich von der Bushaltestelle anlächeln und mir eine Zigaretten- oder Kleidermarke empfehlen, sind mir trotz meines allgemeinen Desinteresse an Zigaretten und Markenkleider eine willkommene Auflockerung des Straßenbilds. An Bahnstationen und Litfaßsäulen lese gerne die Veranstaltungshinweise und Spielpläne von Theatern, die ich nicht zu besuchen vorhabe.
Richtig Spaß bringt Werbung aber erst, wenn sie zu mir passt. Wenn die Produkte so ausgewählt sind, dass ich mir zumindest vorstellen könnte, sie zu kaufen. Zielgruppenorientierte Werbung, wie sie im Web von den beiden großen, Amazon und Google, angeboten wird, gefällt mir deshalb am besten.
Ursprünglich handelte es sich bei der Google-Werbung, die ich auch auf meinen Homepages einsetze, um themenorientierte Werbung. Wer sich über Atomphysik informiert, dürfte in dem Moment für einige Angebote aufgeschlossener sein als für andere. Und wer meine Seiten etwa über den Suchbegriff Global Positioning System gefunden hat, ist vielleicht eher an den Kauf eines solchen Gerätes als an physikalische Erklärungen interessiert.
Der nächste Schritt war dann die Individualisierung von Suchergebnissen und gezeigter Werbung. Google ordnet den Websurfern eine Identifikationsnummer zu, die im Browser als Cookie gespeichert wird. Unter dieser Nummer zeichnet Google auf, welche Seiten angesurft, welche Suchergebnisse geklickt und welche Werbung angenommen wird. Die Informationen, die so über das Surfverhalten eines anonymen Nutzers gewonnen werden, sind zunächst keine persönlichen Daten. Es ist nur in Ausnahmefällen möglich, auf die Identität der surfenden Person zu schließen. Und jedes Mal, wenn der Browser das cookie löscht und der Provider die IP wechselt, muss Google von neuem mit der Personalisierung anfangen.
Erst wenn man, wie ich, einen Google-Account unter bürgerlichem Namen hat und meist eingeloggt ist, ist es dem Betreiber der Suchmaschine möglich das Surfverhalten personenbezogen nachzuvollziehen. Wer davor Angst hat, sollte vielleicht Google-Mail und Google+ oder die Google-Suchmaschine meiden. Statt dessen könnte man konkurrierende Unternehmen je getrennt zum Suchen, Mailen und Networken verwenden. Ich aber liebe personalisierte Werbung und freue mich, dass ich durch Google viel passendere Werbung zu sehen bekomme als an den Bushaltestellen.
Aktuell ist die Kritik an datensammelnde Dienste, wie Google-Werbung groß. Verbraucherschützer warnen vor ihnen und Gesetzgeber überlegen ob man das Personalisieren erschweren sollte.
So könnte man Google und co. verbieten, mein Surfverhalten auch anonymisiert zu speichern, wenn ich es nicht ausdrücklich genehmigt habe. Praktisch könnte das so aussehen, dass die nicht personalisierten Werbeflächen einen Hinweis auf mögliche Personalisierung zeigen. Über einen Klick auf diese Werbung könnte man Google explizit die Personalisierung erlauben. Oder beim Einrichten des Google-Accounts müsste ich explizit gefragt werden, ob ich der personalisierten Werbung zustimme.
Google hätte auch ohne meine Zustimmung Zugang zu den Inhalten der E-mails, die ich über Google-Mail lese oder schreibe. Jeder Dienste-Anbieter hat rein technisch die Möglichkeit, an die Daten der Nutzer heranzukommen. Nur wäre es dann nicht mehr gestattet, diese Daten für personalisierte Werbung zu nutzen. Wahrscheinlich wäre Googles Dienst ohne mein Einverständnis zur personalisierten Werbung nicht mehr kostenlos. Das ist schließlich ihr Geschäftsmodell. Leistung gegen Werbung. Diesen Deal bin ich bewusst eingegangen. Es ist aber keine schlechte Idee, es Google und anderen zur Auflage zu machen, das Modell bei Vertragsabschluss deutlicher zu erklären.
Aber wie ist es mit Diensten, die mir ohne Vertragsabschluss geboten werden? Die personalisierte Werbung ohne Google-Account zum Beispiel. Hier kann man sich bei Google einen Cookie setzen lassen um die Personalisierung zu verhindern. Einige Datenschutzexperten hätten es gerne andersrum: Nicht-personalisieren als Standard und aktives Einschalten. Wie das gehen könnte, habe ich oben erwähnt.
Ich denke aber, dass moderne Browser das viel besser erledigen könnten. Schon heute kann man die Personalisierung einfach abschalten, indem man Cookies abschaltet oder nur noch für ausgewählte Webseiten erlaubt. Gute Browser gewähren die Option, Cookies zu verbieten oder nach jeder Sitzung automatisch zu löschen.
Wenn die Browserentwickler nun auch noch die Möglichkeit böten, gezielt über eine Black-List Cookies personalisierender Werbedienste zu blocken, könnte man elegant auf eine Verpflichtung der Werbetreibenden verzichten. Ich könnte dann beim Einrichten des Browsers gezielt personalisierte Werbung zulassen oder unterbinden. So wie ich mich mit Ad-Blockern schon jetzt für werbefreies Surfen entscheiden könnte.
Aber wie ich sagte: Ich liebe Werbung. Vor allem, wenn sie zu mir passt.
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Ein Gedanke zu „Nicht ohne meine Werbung“