Männerrechtsbewegung: Größtenteils harmlos

Nachdem ich im Artikel Gender sells bereits auf das Interview mit dem Autor verwiesen habe, habe ich es nun geschafft die Studie selbst zu lesen. Ich rede von der Expertise Die antifeministische Männerrechtsbewegung von Hinrich Rosenbrock, die frei zum Download erhältlich ist.

In dieser Expertise gibt der Autor einen Überblick über die Männerrechtsbewegung, wie sie uns in Kommentaren und Internetforen begegnet. Er gibt eine Übersicht üder die Protagonisten, ihre Argumentationsstruktur und ihren Organisationsgrad. Außerdem gibt er Tipps zum möglichen Umgang mit den maskulinistischen Trollen.

Der Text beschäftigt sich im Schwerpunkt mit den Vereinen agens und MANNdat sowie mit der Internetplattform wgvdl.com. Ich kannte keine dieser Formationen zuvor mit Namen, aber mir kommen die Inhalte und die Formen des Auftretens in den Beispielen sehr bekannt vor. Die von Rosenbrock geschilderten Argumentationsmuster sind mir im eigenen und in anderen Blogs begegnet.

Die Männerrechtsbewegung sieht sich als eine Art Widerstandsbewegung gegen eine frauendominierte Welt, in der Gendertheorien, Gender-Mainstreaming und Feminismus die Herrschaft übernommen haben. Dabei scheinen sie sich als Fürsprecher aller, zumindest eines großen Teils der Männer zu verstehen. Diesem Selbstverständnis stellt Rosenbrock Studien über das tatsächliche Rollenverständnis von Männern gegenüber. Aus diesen Studien wird deutlich, dass die Männerrechtsbewegung nur für einen kleinen Teil der Männer sprechen kann. Selbst Männer, die eine sehr klassische Rollenverteilung als Alleinverdiener leben, wünschen sich mehrheitlich eine gleichberechtigte Partnerin und fühlen sich nicht von der Frauenbewegung diskriminiert oder gar unterjocht.

Dazu kommt, dass die behauptete Frauendominanz im klaren Widerspruch zu den tatsächlichen Machtverhältnissen steht. So sind gut 2/3 des Bundestags männlich und in den Vorständen großer Unternehmen ist der Frauenanteil bekanntlich auch weit von 50% entfernt.

Die Argumentationsstruktur der Antifeministen ist für Verschwörungstheoretiker im Internet geradezu typisch. Zum einen besteht sie aus persönlichen Beleidigungen gegen den vermeintlichen Feind, Rosenbrock nennt es hate speech. Zum anderen werden vorhandene Forschungsergebnisse passend uminterpretiert, Statistiken verbogen und dem eigenen Standpunkt entgegenstehende Fakten ignoriert.

Interessant ist der Abschnitt, in dem Rosenbrock den Überlapp der Anti-Feministen mit der extremen und neuen Rechten untersucht. Fazit: Überlapp ist zwar vor allem mit der neuen Rechten vorhanden aber die Schwerpunkte sind unterschiedlich gesetzt. Anti-Feminismus ist in der rechten Bewegung vorhanden hat aber nicht den Stellenwert, wie bei den hier betrachteten Gruppierungen. Homophobie und Rassismus, die für die Rechten typisch sind, finden sich nicht durchgehend bei der Männerrechtsbewegung.

Ein Kapitel widmet Rosenbrock den Interventionen der Bewegung in Online-Foren von Tageszeitungen und findet, dass diese bei Spiegel Online recht häufig sind. Offenbar wird von der Plattform wgvdl.com häufig zur Intervention im Spiegel-Online-Forum aufgerufen und Anti-Feministische Postings sind dort recht häufig. In Foren anderer Tageszeitungen treten die Männerrechtler auch, aber deutlich seltener auf.

Hier glaube ich, dass Rosenbrock die politische Relevanz solcher Foren überschätzt. Vielleicht tun das die Protagonisten der Männerrechtsbewegung auch und sie versuchen hier tatsächlich politischen Druck auszuüben. Faktisch wird aber kaum jemand Schlammschlachten in Internetforen ernst nehmen. Dass solch ein Forum ein wichtiger Ort demokratischer Meinungsbildung sei, halte ich für fragwürdig.

Rosenbrock schließt seine Expertise mit Hinweisen zum möglichen Umgang mit der antifeministischen Männerrechtsbewegung. Hier möchte ich ihn selbst zu Wort kommen lassen:

Bevor man sich auf eine Diskussion einlässt, ist es hilfreich, sich zu vergewissern, dass man genügend Zeit und Vorkenntnisse für diese hat. Meistens hilft eine ruhige und sachliche Herangehensweise weiter.

Insgesamt hat mich die Schilderung der Männerrechtsbewegung stark an eine andere Verschwörungstheorie, mit der ich viel zu tun hatte, erinnert: Die Anti-Relativisten haben sich zum Ziel gesetzt, einer Verschwörung in der Physik entgegenzutreten, die die Relativitätstheorie seit 1920 mit Gewalt durchsetzt und am Leben erhält. Die Männerrechtler kämpfen mit ähnlich dünnen Argumenten gegen die Frauenherrschaft wie die Anti-Relativisten gegen die weltweite Physikerverschwörung.

Mein Fazit nach Lektüre von Rosenbrocks Expertise ist, dass die antifeministische Männerrechtsbewegung größtenteils harmlos ist. Dennoch ist die Lektüre empfehlenswert, wenn man mit dieser Bewegung in Berührung kommt. Hier nochmal der Link:

Die antifeministische Männerrechtsbewegung

8 Gedanken zu „Männerrechtsbewegung: Größtenteils harmlos“

  1. Ein weiterer Punkt, der meiner Meinung nach erwähnenswert ist, wenn es um die Männerrechtsbewegung geht, ist die Verschränkung mit etablierten Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Gerhard Amendt oder Klaus Hurrlemann. Vermutlich hat der seriöse Anstrich, der hierdurch entsteht, eine deutlich höhere Wirkung als die Kommentarschlachten auf Spiegel-Online.

  2. Wie ich auch schon in meinem Artikel zu Rosenbrock sagte hat er mit einigen Punkten durchaus recht. Gerade im radikaleren Maskulismus ist vieles zu beanstanden. Dennoch macht er es sich häufig sehr einfach und differenziert wenig zwischen den auch im Maskulismus vorhandenen Strömungen.

    Er macht es sich recht einfach innerhalb der feministischen Theorie, Kritik am Feminismus ist eben eine Stützung der hegemonialen Männlichkeit, daher schon an sich falsch. Es ist diese Immunisierung gegen Kritik die ich immer wieder bedenklich finde. Gerade da er ja ebenfalls einen poststrukturalistischen Feminismus anzuhängen scheint und sich auf Butler beruft, der mit seiner Abkehr vom objektiven überaus wissenschaftsfeindlich ist

  3. Hallo Christian,

    haben wir dieselbe Expertise gelesen? Rosenbrock unterscheidet sehr deutlich zwischen den vorhandenen Strömungen. Auf Seite 22 gibt es dazu sogar eine Tabelle.

    Auch die Immunisierung gegen Kritik kann ich nicht erkennen. Ganz im Gegenteil stellt er schon zu Anfang heraus, dass eine kritische Auseinandersetzung in der Geschlecherdebatte notwendig ist:

    In den Geschlechterdebatten treffen teilweise sehr unterschiedliche Positionen und Interessen aufeinander. Konflikte sind also häufig bereits in den Ausgangslagen angelegt. Deswegen sind ein konstruktives Verhalten und eine sachliche Diskussion hilfreich. (Seite 20)

  4. @Joachim

    Das ist ja keine Tabelle der Strömungen. Das ist eine Ordnung seiner Vorhaltungen und eine politische Verortung.

    Versuch mal den Feminismus danach zu ordnen, dann wird es vielleicht deutlicher, dass dabei wesentliches verloren geht.

    Wo gesteht er denn mal einen Kritikpunkt als diskussionswürdig zu? Behaupten, dass man eine konstruktive Diskussion will kann man immer schnell. Ich sehe das bei ihm nicht. Kritik, er führt es ja an einer Stelle aus, ist Aufrechterhaltung der gewünschten Zustände und damit Unterstützung der Hegemonialen Männlichkeit.

    Das ist aber doch keine sachliche Diskussion. Wenn meine Position nichts anderes sein kann als eine Untertützung der hegemonialen Männlichkeit, soweit sie von seinem Feminismus nach Connell und Butler abweicht kann sie ja nur falsch sein. Das seine Position ebenfalls reine Unterstützung dekonstruktiver Ansätze ist macht ja auch nicht eine Auseinandersetzung in der Sache obsolet

    1. Es ist eine Tabelle der sehr unterschiedlichen Einstellungen, die er in der Bewegung gefunden hat. Was erwartest du mehr? Etwas zusammenfassen wird man wohl müssen, wenn man zu brauchbaren Aussagen kommen will.

      Ich befürchte, du verkennst die Absicht dieser Expertise. Es geht dem Autor nicht darum, in diesem Dokument eine Diskussion mit der Männerbewegung zu führen. Zielgruppe ist nicht die Männerbewegung sondern Menschen wie du und ich, die mit diesen Leuten in Berührung kommen und etwas näheres über die Strukturen und das öffentliche Auftreten dieser Vereinigung wissen wollen.

      Die beiden Zitate, die ich hier gegeben habe, zeigen eindeutig, dass Rosenbrock durchaus auch Diskussionen mit Antifeministen für möglich hält. Aber natürlich sind die Möglichkeiten dort eingeschränkt, wo mit hate speech und mit falschen Daten „argumentiert“ wird. In solchen Fällen bleibt einem nichts anderes übrig, als die Diskussion abzubrechen.

  5. Das eigentlich interessante ist ja, wie auf Websites wie dieser hier ein Text als „wissenschaftliche Arbeit“ ernst genommen wird, der selbst den simpelsten Bedingungen dafür nicht genügt. Verschiedene Wissenschaftler, etwa Heike Diefenbach haben das hervorragend herausgearbeitet:
    http://sciencefiles.org/2012/02/08/rosenbrock-zum-letzten-hoffentlich/#comment-1072

    Und nein, Rosenbrock wünscht ebenso wie sein gesamtes Umfeld KEINE Diskussion mit Leuten, die seine Lieblingsideologie kritisieren. Seine These, dass ein Dialog mit „denen“ nicht möglich sei, zieht sich als Leitthese durch die Gesamtvorstellung seiner Kampfschrift: Da sitzt einer im Bunker und ist stolz darauf.

    Unwissenschaftlichkeit vereint mit Fundamentalismus – warum fährst du mit deinem Blog dermaßen ab darauf? Gibt es nicht merh ausreichend Sekten und Religionen, die das bieten?

    1. Das genau ist das Problem, wenn ein Text eine brauchbare Übersicht über etwas sein will, dann muss er bestimmten Kriterien entsprechen, dann muss man z.B. wissen, welchen Bereich der Realität er abdeckt, was seine Grundgesamtheit ist, ob er die alle Schattierungen seines Gegenstands einbezogen hat oder nur einen Teil, und wenn nur einen Teil, dann welchen Teil und warum usw usw. Wenn man Aussagen über die Realität machen will, kommt man an wissenschaftlichen Methoden nicht vorbei – oder wäre für sie ein Tiefeninterview mit dem Vorsitzenden der SPD in Wanne-Eickel eine brauchbare Übersicht über die politischen Ziele und den sozialen Hintergrund der SPD?
      Eben!
      Ebenso wenig ist die Arbeit von Herrn Rosenbrock ein brauchbares Exemplar, um sich ein Bild von der Männerbewegung zu machen (sofern es überhaupt eine Männerbewegung gibt). Insofern würde ich mir wünschen, dass sie den Gegenständen, die sie als brauchbar bezeichnen, etwas kritischer gegenüber treten.

      Herr R. hat deshalb keinen brauchbaren Überblick gegeben, weil nicht klar ist, wie er zu seiner Grundgesamtheit gekommen ist, welche Foren er warum ausgewählt hat, welche Teile der Männerbewegung und welche Forenbeiträge er warum ausgeschlossen hat usw. usw. usw.

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